Allgemein

Freiheit – Die Bereitschaft zu fühlen

Je länger ich mich auf meinem Weg befinde, desto klarer wird mir, dass diese Reise für mich vor allem eines bedeutet: Die Bereitschaft zu fühlen.

Für mich heißt das: Eine vollkommene Verletzlichkeit gegenüber dem Augenblick und die Freiheit, in aller Tiefe zu erfahren, was immer in ihm auftaucht. Der Raum zu sein, in dem sich alles zeigen darf. Mit hingegebener Offenheit mitten in jede Erfahrung hineinzutreten, das Herz brechen zu lassen, sowohl in Ekstase als auch in Schmerz, die Person aufzulösen in der Bereitschaft zur Erfahrung.

Es heißt, das Licht meiner "Ich Bin"-Präsenz ohne Wertung, Urteil, Ablehnung oder Anhaftung auf alles scheinen zu lassen, was sich in diesem inneren Raum regt. Es ohne Angst anzunehmen, ohne Scham auszudrücken, ohne Urteil mit Bewusstheit zu durchdringen.

Diese Öffnung bedeutet Gewissheit, dass mich in meinem innersten Kern nichts verletzten kann, ohne dabei die Verletzlichkeit meines Herzens zu leugnen. Von einem Punkt der Liebe und Akzeptanz aus die menschliche Erfahrung zu umarmen – und als dieses Licht Vater/Mutter zu sein für all die verletzten Aspekte meines Selbst. Sanft zu sein mit mir, ohne das Leid persönlich zu nehmen, ohne die Freude zu jagen. Freundschaft zu schließen mit meinen persönlichen Aspekten, mich ganz dort hineinzulassen, ohne dabei den Kontakt zu dem zu verlieren, was ich wirklich bin: reine Präsenz, unberührt, unwandelbar, unbeeindruckt.

Das Ende der Vermeidung

Dorthin war es ein langer Weg. Ein guter Teil meiner Reise war ganz der Vermeidung gewidmet, in allen nur erdenklichen Facetten. Seien es Drogen, extensives Feiern, Flucht in außerkörperliche meditative Zustände, die Abspaltung in einen vom Mind kreierten Zeugen-Zustand oder ganz schlichtes Weglaufen vor jeder Form von existenziellem Schmerz.

Auch vermeintliche Spiritualität kann eine Vermeidung sein. Der Mind, das habe ich kennengelernt, ist sehr geschickt. Ich habe Monate in intensiver Meditation zugebracht, meinen Körper so weit verlassen, dass ich kaum noch hier war. Das war, was ich damals unter Spiritualität verstand: Weg von hier, nach oben, raus.

Doch dann dämmerte mir: Was, wenn es vielmehr darum geht, wirklich zu inkarnieren? Nicht von hier weg, nach "dort oben", sondern mein ganzes Selbst von dort hier herabzubringen, das Materielle mehr und mehr mit Bewusstheit zu durchdringen, statt es zu vermeiden?

"Du kannst nichts transzendieren, was du nicht kennst. Um dich selbst zu transzendieren, musst du dich zuerst kennen."

(Sri Nisargadatta Maharaj)

Immer klarer wurde mir: Der Weg in die Freiheit geht mitten hindurch durch die menschliche Erfahrung.

Öffnung

Freiheit heißt Freiheit in allen Umständen. So wurde meine Reise eine Reise der Öffnung hin zu allen Erfahrungen. Kann ich die volle Bewusstheit und Präsenz der Seele mit hinabnehmen in alle Erfahrungen? Kann ich dieses Licht jede Sekunde meines Lebens durchdringen lassen? Wo verliere ich mich? Wogegen verschließe ich mich?

Als ich begann, dies zuzulassen, änderte sich mein Weg. Und ich begann, mein Leben zu verstehen. Wie meisterhaft ist diese Lern-Erfahrung doch gewoben! Ich erkannte das äußere Leben als Spiegel meines Inneren, es wurde eine permanente Einladung zur Öffnung.

„Öffne dich und fließe mein Freund. Fließe in der totalen Offenheit des lebendigen Moments.
Wenn nichts in dir starr ist, lösen äußere Dinge sich von selbst.
In Bewegung: Sei wie Wasser.
In Stille: Sei wie ein Spiegel."

(Bruce Lee)

Eine andere Perspektive auf Karma

Nach und nach bringt mich mein Leben mit allem in Verbindung, wogegen ich mich verschlossen habe, wo ich mich verspanne, wo ich nicht frei bin. Es zeigt mir, wo ich anhafte, wo ich nicht geben oder annehmen kann, wo ich das Leben nicht fließen lasse. Wo ich in nackter Angst aus meinem Körper herausschieße, oder längst überflüssige Schutz- und Abwehrmechanismen mein Leben regieren.

Mit der Zeit, als mehr Erinnerungen an vergangene Leben sich zeigten, begann sich mein Konzept dessen zu verändern, was wir Karma nennen. Vorher hatte ich es sehr in den Maßstäben menschlicher Gerechtigkeit gesehen, als eine Rechnung zwischen zwei Seelen etwa. Nun zeigte es sich in meiner eigenen Geschichte als etwas zutiefst Persönliches, eine Sache allein zwischen mir und dem Leben. Wann immer ich eine Erfahrung gemacht hatte, gegenüber der ich mich verschlossen hatte, an der ich meine Liebe abschnitt, tauchte die gleiche Erfahrung solange wieder auf, bis ich mich diesem Aspekt der Schöpfung gegenüber wieder öffnete. Solange, bis ich diesen Aspekt Gottes wieder lieben konnte.

Wurde ich also verraten, war ich später nicht der Verräter, sondern wurde solange weiter verraten, bis ich bereit war, diesen Schmerz zu fühlen, zu vergeben, anzunehmen, mit meiner Präsenz zu durchdringen, inmitten der Erfahrung Liebe zu sein. Manchmal wählte meine Seele, die andere Seite zu spielen, um zu verstehen und anzunehmen, aber eigentlich ging es um einen Akt der Befreiung. Die Seele sucht Befreiung von allem, was ihre Erfahrung und ihren Ausdruck begrenzt. Befreiung von allem, was den Fluss der Liebe behindert.

Licht ins Dunkel

Mit dieser Erkenntnis kam die Bereitschaft zu fühlen. Alles zu fühlen. Und die Bereitschaft, meiner ganzen Dunkelheit zu begegnen. Gerade las ich dazu ein Channeling von Pamela Kribbe, das mich sehr berührt hat:

"Dein Höchstes wird in dem Moment erstrahlen, in dem du den dunkelsten Teil deiner Selbst willkommen heißt. Wenn du deine Dunkelheit einlädst, in dein Gewahrsein zu treten, scheint dein Licht urteilsfrei auf all jene Teile deiner Seele, die sich abgelehnt und verlassen fühlen. Ihr alle habt eine große Sehnsucht nach dem Licht, nach der Freiheit durch die Hingabe an das, was ihr wirklich seid. Bitte versteht, dass ihr das größte Licht in euch entfacht, wenn ihr eure Hand nach den dunkelsten und vernachlässigsten Teilen eurer selbst ausstreckt. […]

Dann bringt ihr Licht in die Dunkelheit und das ist, was die Menschheit gerade braucht. Die Menschheit braucht keine Heiligen oder Gurus, die von einem Podest aus predigen, sondern Menschen aus Fleisch und Blut, die Licht und Dunkelheit selbst erfahren und beides ohne Urteil umarmt haben. Du wirst ein menschlicher Engel in dem Augenblick, in dem du den Mut hast, deiner eigenen Dunkelheit entgegenzutreten und sie zu akzeptieren."

Freiheit

Für mich zeigte sich auch: Am Grund jedes noch so dunklen Sees liegt eine Perle. Jede Verzerrung birgt ein Geschenk, einen Teil meines Selbst, der in dieser Erfahrung verloren ging. Ein neuer Raum der Freiheit, mich für das Leben zu öffnen, meine Anhaftungen loszulassen. Alle Erfahrung findet statt im Licht und der Präsenz meiner Seele, inmitten jeder Erfahrung ist es möglich, dieses ewige "Ich Bin" zu finden, aus dem Inneren der Erfahrung – ohne sich dabei von der Erfahrung abzuspalten, in einen falschen Beobachter. Wenn das gelingt, geschieht eine große Öffnung und Integration.

Und bei all den Worten über Dunkelheit: Auch Freude, Liebe und Ekstase musste ich erst lernen zuzulassen, mich wirklich dafür zu öffnen, es nicht zu kontrollieren.

Es geht weder darum,Leid noch Freude zu suchen. Das Leben wird alle Erfahrungen zu uns bringen, die wir zur Freiheit benötigen, alle Sehnsüchte in uns entfachen, die uns in diese Situationen bringen. Und das größte Leid ist die Angst vor dem Leid. Die Seele, das habe ich gelernt, fürchtet sich nicht, vor keiner Erfahrung. Wenn sie etwas fürchtet, dann, dass wir weiter in einem selbst kreierten Gefängnis leben und nicht zu unserer vollen Freiheit erwachen.

"In Wirklichkeit ist da nur die Quelle.
Dunkel in sich selbst, lässt sie alles erstrahlen.
Unerkannt ermöglicht sie Erkenntnis. Ungefühlt ermöglicht sie Gefühl.
Undenkbar verursacht sie Gedanken. Nicht Seiend gebiert sie das Sein.
Sie ist der regungslose Hintergrund aller Bewegung.
Bist du dort angekommen, bist du überall zuhause."

(Sri Nisargadatta Maharaj)